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BLOGDOWN DIE DRITTE

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe die Aufforderung der IFB zur Überprüfung meines Liquiditätsengpasses und der evtl Rückzahlung zu viel gezahlter Coronahilfen erhalten, sehe mich aber zur Zeit außerstande, die gestellten Fragen ohne wiederum kostenaufwändige Hilfe einer SteuerberaterIn zufriedenstellend zu beantworten.
Ich bin bereit, den damals einmalig erhaltenen Betrag von XXXX zurückzuzahlen, wenn ich dafür nicht meine Lebenszeit damit verbringen muss, (unentgeltlich) Anträge über Anträge auszufüllen, die ich nicht verstehe, und eine(n) SteuerberaterIn nochmals für dessen Dienste zu bezahlen, nur um dieses - damals für mich wirklich hilfreiche - Geld behalten zu dürfen, das ich zu einem Zeitpunkt erhalten habe, in dem meine Einkünfte coronabedingt tatsächlich bei NULL lagen.

Ich bedanke mich aufrichtig, denn das Geld hat mir geholfen, aber nun dürfen Sie den Betrag gerne zurückhaben, selbst wenn mir davon vermutlich nach langwieriger Überprüfung einiges oder gar alles zustünde. 
Ich überweise Ihnen den Betrag zurück, sofern sie mich davon entbinden, mich wochenlang mit dem Ausfüllen von Fragebögen mit für mich leider vollkommen abstrakten Zahlen beschäftigen zu müssen, und mich somit also von diesem mental schwer zu ertragenden Rechtfertigungszwang entlasten.

Ist es möglich, Ihnen den Betrag von XXXX einfach und umstandslos zurückzuerstatten?

Mit freundlichem Gruß,
Eva Engelbach

Soloselbständig
tätig im Bereich
Komponistion und Theatermusik, nicht aber im Finanzwesen

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25.Februar 2021 - Meine Welt, ihre Welt

BLOGDOWN DIE ZWEITE

Knapp eine Woche nach dem Verfassen meines ersten BLOGDOWNS mitten im tief verschneiten Hamburger Winter habe ich eine Unterhaltung mit einer Freundin bei zwanzig Grad am Hamburger Elbstrand.
An diesem Satz ist einiges erstaunlich, aber für mich ist das erstaunlichste die leibhaftige Freundin, mit der ich mich - nach langer sozialer Abstinenz - zur selben Zeit am selben Ort befinde! Die Sonne wärmt unsere Wangen und ein paar Hunde tollen im Sand umher. Ich fühle mich wie mitten in einem Dokufilm über den Klimawandel und muss mich hart darauf konzentrieren, dass die Wärme auf meiner Haut erstens echt und zweitens angenehm ist. 
Die Freundin überrumpelt mich mit einer sonnig-wohlwollenden Haltung gegenüber der derzeitigen Ereignisse und Entwicklungen: „Klimawandel, ach ja, klar, aber die Sonne scheint, und das ist doch erstmal einfach nur schön. Coronamaßnahmen, ach ja, sicher, aber bald wird alles gut, und spätestens im Herbst werden wir wieder Theater spielen!“ Ich schaue in ihre blauen Augen und möchte sie schütteln. Oder möchte ich sie küssen? Schütteln? Küssen? Schütteln? Küssen?
Wo kommt die denn her? Woher nimmt sie diese fucking Zuversicht? Während in meiner Welt in den letzten Monaten von früh bis spät nur Apokalypse auf den Tisch kam, muss es in ihrer Welt vielseitiger und nahrhafter zugegangen sein. Zumindest sehr anders. 
Meine Welt. Ihre Welt. 
Und da dämmert es mir schmerzhaft: Meine Welt, mein Wohnzimmer nämlich, war nur meine Welt gewesen, aber eben nicht die Welt. Ja, ich habe in meiner Einsamkeit wie doof Zeitungen gefressen, auf der Suche nach anderen Stimmen, aber die haben mir nur eingetrichtert, wie schlecht es um „uns“ steht, was stimmen mag, aber eben nur ein Teil der „Wahrheit“ ist. Ich habe an meinem Bildschirm gesessen, auf der Suche nach anderen Gesichtern, aber die haben mir auch immer nur wieder erzählt, wie schlecht es uns allen geht. Das Phänomen ist nicht neu; die Medien stürzen sich nun mal überwiegend auf die negativen Seiten des Daseins, weil die Leute aus irgendwelchen Gründen nur glücklich sind, wenn sie unglücklich sind. Ich hatte mich bis vor einem Jahr nicht dazugezählt, sondern im Gegenteil eine solche Neigung zum Jammern verurteilt. Ich hab lieber versucht, aus dem kaputten Laden alles rauszuholen, was ging, und da ging noch einiges. Natürlich da auch schon „trotz“ und „jetzt erstrecht“. Aber nun war mir dieses mir eigene fröhliche Gegenangezappel irgendwie entglitten, und meine  - meinetwegen naive - Zuversicht war nach und nach dem Geunke der Apokalyptiker zum Opfer gefallen.
Ich starre meine Freundin also an, als käme sie von einem anderen Stern. Zum Glück bin ich niemand, der behauptet, zu wissen, wie die Dinge „wirklich“ sind, denn je mehr man liest, desto mehr weiß man, dass man nicht weiß, wie sie wirklich sind. Wie auch immer. Mein im dunklen Winter gezüchteter Glaubenssatz „Die Welt geht unter“ schmilzt also jetzt in der Sonne dahin, und ich will mehr davon, mehr von ihrer Welt und weniger von meiner: „Kannst du das bitte noch mal sagen?“ bitte ich sie.
Sie lacht und nimmt mich mit ihren Worten in den Arm: „Die Sonne scheint, und es ist schön. Alles wird gut und im Herbst werden wir wieder Theater spielen!“ Ihre Worte in meinem Ohren. Leckt mich doch, ihr Pessimisten und Schwarzmaler, euch wird die Apokalypse in euren blauflimmernden Wohnzimmern dahinraffen, während ich hier draußen die Sonne genieße und echte Hunde im Sand echten Bällen hinterher jagen!

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14. Februar 2021 - Nachlass

BLOGDOWN DIE ERSTE

Da ist er also doch noch, der Winter. Meine Straße schlummert friedlich unter einer geschlossenen Schneedecke, mein Roller fährt nicht, und die Autos hocken stumm unter ihren glitzernden Schneemützen. Hinter den Fenstern sitzen die Menschen beim  Homeschooling / Homeoffice beieinander und wenn sie mal aufschauen, fällt ihr Blick auf die verschneite Straße, die sie dann und wann noch zum Einkaufen gehen betreten. 
Ich pfeife ein Weihnachtslied, obwohl es zwei Monate zu spät dafür ist, und setze mich mit einem dampfenden Tee an meinen Laptop. Eine Tafel dunkle Schokolade liegt naschbereit daneben, denn Alkohol und Zigaretten hab ich mir abgewöhnt im letzten gänzlich spaßbefreiten Jahr.
Nun also endlich ist die Zeit gekommen, meine Website anzugehen!
Auf geht’s! Nach anfänglichen Startschwierigkeiten, weil ja doch nie alles so einfach geht, wie versprochen, füllen sich nach und nach die einzelnen Seiten mit stimmungs- und lebensfrohen Bildern und Texten aus einer anderen Zeit. Nachdenklich schiebe ich die Bilder und Worte hin und her, feilsche mit mir selbst um den richtigen Ausdruck, den rechten Ton, den es braucht, um meinen Beruf für Außenstehende plastisch zu machen, und ich bekomme mit der Zeit immer schlechtere Laune. Abends schaut mein Freund mir über die Schulter und schnurrt mir ins Ohr: „Toll! Hier strahlt einem eine kraftvolle Künstlerpersönlichkeit entgegen, der man ansieht, dass sie ihren Beruf liebt!“ 
„Ah ja?“ Blaffe ich ihn unvermittelt an, „Hier erstrahlt eine Künstlerin, die es so gar nicht mehr gibt!“ Ich nippe an meinem Scheißtee und denke flüchtig an eine Zigarette. „Ich präsentiere hier etwas, das es so gar nicht mehr gibt! All die tollen Momente, all die Lieder und Programme, die kommen vielleicht nie wieder auf die Bühne! So viele Spielorte werden dieses Jahr vielleicht nicht überleben! Und meine Motivation möglicherweise auch nicht.“ Ich stehe auf und kippe meinen kalten Tee in den Ausguss, hole mir stattdessen ein Glas Rotwein. Mein Freund verzieht sich taktvoll ins Nebenzimmer und lässt mich in Ruhe meinen Nachlass ordnen, so fühlt sich das nämlich jetzt an: Meinen Nachlass ordnen! Ich nippe am Rotwein und suche in Gedanken die Wohnung nach einer vergessenen Packung Zigaretten ab. Ich WEISS, dass hier irgendwo noch eine sein muss. 
Ich starre missmutig auf die Startseite meiner Website und stelle mir vor, dass dort statt des aufgeräumten Bildes dieser souveränen Künstlerin ein Bild von mir im Schlafanzug prangt, mit ungestüm und grau wachsendem Haar über ungezupften Brauen und zwei Zigaretten gleichzeitig im Maul, für jedem Mundwinkel eine. Und natürlich gibt es auf der Website auch einen Blog, für hemmungsloses Gejammer, unschöne Selbstmitleidtiraden und elende Schwarzmalereien, und ich nenne ihn BLOGDOWN! Ich muss lachen. Die Idee gefällt mir. Vielleicht mache ich sie wahr! Ich stehe auf und klappe den Laptop zu. So. Jetzt erstmal ne Zichte. Für die Kunst versteht sich. Irgendwo hier muss doch noch ne Packung sein...

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